Lisa Oppenheim

lisa oppenheim

"This is my letter to the world That never wrote to me."

Emily Dickinson

Über das Werk

Die Ausstellung Sensing Nature zeigt zwei Fotoarbeiten der Serie Wild Flowers of Palestine der New Yorker Multimediakünstlerin Lisa Oppenheim. Die beiden Motive stammen aus dem Bildarchiv der American Colony, einer christlich-utopischen Glaubensgemeinschaft, die 1881 von amerikanischen Auswander*innen im osmanischen Palästina gegründet wurde. Neben der Wahrnehmung philanthropischer Aufgaben gründeten sie das legendäre und noch heute existierende gleichnamige Hotel in Ostjerusalem. Über 20.000 erhaltene Fotografien dokumentieren die Aktivitäten der Gemeinschaft, das alltägliche Leben, historische Orte und Landschaften im Heiligen Land. Heute ist die Fotosammlung Teil der United States Library of Congress in Washington. Bei den ausgewählten Fotografien handelt es sich um Stereoskopien, eine im späten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts populäre Technik, die einen Pseudo-3D-Effekt erzeugt. Dabei wird ein Motiv aus zwei minimal unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen und die Teilbilder nebeneinandergestellt, wodurch sich ein räumlicher Eindruck ergibt. Lisa Oppenheim experimentiert mit dieser historischen Fototechnik. Mittels analoger Entwicklungs-verfahren schiebt sie die beiden Hälften des stereoskopischen Negativs im Labor zu einem neuen Doppelbild zusammen. Dabei nutzt sie bewusst die den Negativen innewohnenden Mängel und Belichtungsfehler, um neue Bildkompositionen zu kreieren.

Die beiden Motive wurden zwischen 1900 und 1920 aufgenommen und zeigen zwei für den Mittelmeerraum typische Wildblumen, die Anemone coronaria L., deren rote Blüten im Frühjahr die Olivenhaine zum Leuchten bringen, und die Althaea rosea Cav., bekannt als Stockrose. Die aus ihrem natürlichen Kontext isolierte Darstellung der Wildblumen verleiht ihnen etwas Ikonenhaftes und Einzigartiges. Die Künstlerin intensiviert dieses Phänomen, indem sie das Ursprungsmotiv stark vergrößert und bildfüllend präsentiert. Durch die Verdopplung der Blüten und die sichtbaren Spuren des Entwicklungsprozesses erhalten sie eine zeitliche Dimension. Auf diese Weise entwickeln die längst vergessenen historischen Motive eine ganz neue, eigene Präsenz im Raum. Lisa Oppenheim gelingt es, die Schlichtheit der Blumen zu zeitlosen Bildern zu verdichten, deren Schönheit zugleich ihre Verletzlichkeit und Gefährdung vor Augen führt.

Lebenslauf

Lisa Oppenheim (* 1975, New York, USA) beschäftigt sich anhand von Materialien aus öffentlichen Archiven, fotografischen
Anthologien und dem Internet mit der gesamten Bandbreite der Geschichte der Fotografie und zeichnet die technologischen Prozesse, den Konsum und die Zirkulation von Fotografien von William Henry Fox Talbot bis Flickr nach. Mit ihrer Arbeit erforscht Oppenheim die Wechselwirkungen zwischen einem Bild, seiner Quelle und dem Kontext, in dem es angetroffen wird.
Oppenheim lebt und arbeitet in New York City und München. Sie schloss 1998 ihr Studium an der Brown University mit dem Bachelor of Arts ab und erhielt 2001 den Master of Fine Arts an der Milton Avery Graduate School for the Arts am Bard College. Zudem ist sie Absolventin des Independent Study Program des Whitney Museums und der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. Im Jahr 2014 erhielt Lisa Oppenheim sowohl den AIMIA|AGO Photography Prize der Art Gallery of Ontario als auch den Shpilman International Prize for Excellence in Photography des Israel Museums in Jerusalem. Zuletzt zeigte sie ihre Arbeiten in Einzelausstellungen im MCA Denver, Denver, Colorado, und im MOCA Cleveland, Cleveland, Ohio, im Ausstellungsraum der FRAC Champagne-Ardenne in Reims, im Lulu in Mexiko-Stadt, im Kunstverein in Hamburg sowie im Grazer Kunstverein.